Rundgang durch das Heimat -und Keramikmuseum Kandern
Das Museum befindet sich in einem der schönsten Häuser Kanderns, einem spätgotischen Staffelgiebelhaus aus der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts. Beim Eintreten wird man von einer lebensgroßen Frauenfigur aus Ton empfangen, die von dem international bekannten Keramiker Horst Kerstan geschaffen wurde. Damit wird auf den Schwerpunkt der Museumsexponate –Keramik - hingewiesen.
Im Erdgeschoss
sind Exponate zu sehen, welche die geschichtliche und industrielle Entwicklung Kanderns zeigen. Im Fensterbereich sind Stücke zu sehen, die aus den hiesigen Vorkommen – Erz (Eisen) und Ton – hergestellt sind. So werden in 2 Tischvitrinen schöne Ziereisenteile aus dem Eisenwerk Kandern (u.a. der Sarkophag Napoleon Bonapartes im Invalidendom von Paris als Tintenfässchen), daneben Erinnerungsstücke aus der anderen größeren Firma, der Tonwerke Kandern, gezeigt. So in der Fensternische Modelle von Falzziegeln und der letzte Ziegel, der 1998 vom Band lief mit der Ritzung „zerbrochener Krug“, ein Stück mit Symbolcharakter, da beide Industriezweige (Eisen und Tonziegel) nicht mehr existieren.
In einem weiteren Regal sind verschiedene handgestrichene Ziegel und auch sogenannte „Feierabendziegel“ ausgestellt. Die darauf geritzten verschiedenen Motive der Volkskunst wie Storch, Sonnenrad und Lebensbaum sollten die Hausbewohner schützen und ihnen Glück bringen.
Auch Ofenkacheln und Hilfsmittel zu deren Dekoration – Schablonen – sind zu sehen. Daneben stehen ein Kachelofen aus der Keramik - Werkstatt Bampi und ein kleiner Bügeleisenofen aus Eisen. Ein schöner Rokokoschrank, ein Renaissanceschrank, ein Zylinderbuffet und eine alte Wiege zeigen, dass in Kandern und Umgebung auch wohlhabende Bürger wohnten.
In der ehemaligen Küche des Hauses
(Eingang rechts vor dem Treppenaufgang) werden interessante Dokumente der „Badischen Revolution“ (1848/49) gezeigt . In der zweiten Vitrine sind Bilder der Freischärler und Persönlichkeiten zu sehen, die unmittelbar von diesem Ereignis betroffen waren. Besonders zu erwähnen ist der Mantel von Friedrich Neff, einem jungen Freischärler, der die ganze Tragik dieses Ereignisses widerspiegelt.
Freischarenfahnen, Bilder und Pläne vom Gefecht auf der Scheideck und viele weitere Erinnerungsstück runden diese Thematik ab.
Bedeutsam ist der Inhalt der Vitrine mit historischen Blasinstrumenten, die in der Fachwelt großes Interesse finden, da sie ca. 200 Jahre alt und zum Teil einzigartig sind. Sie wurden von der Kanderner Bergwerksmusik (Erzbergwerk) seinerzeit angeschafft. Die sehr seltenen und wertvollen Bassetthörner können wegen den klimatischen Bedingungen im Museum nicht ausgestellt werden.
Die Instrumente sind restauriert und bespielbar. (Konzerte damit sind geplant, deren Termine werden jeweils extra bekanntgegeben). In der Vitrine gegenüber ist die Tracht einer Markgräflerin ausgestellt, die auch an die Familie Mez (später Mez –Nähseide) erinnert. Sie betrieb ursprünglich in diesem Haus ihre Bandstühle, die der Herstellung von Seidenbändern und Bordüren dienten. Daneben ist ein Stammbaum der Familie Mez zu sehen.
Vor dem Treppenaufgang links steht eine Vitrine mit Objekten aus der Keltenzeit, die verdeutlichen, dass Kandern eine keltische Gründung ist. Der Name der Stadt ist auch keltischen Ursprungs. Oben eine Urne aus der Hallstattzeit, geborgen in Wintersweiler. (Die Fotos zeigen die Ausgrabung) und unten eine Urne aus einem Brandgrab der La-Tène-Zeit, gefunden auf dem Gelände der Tonwerke Kandern. Im Treppenhaus zum ersten Obergeschoss hängen Lithografien der Markgrafen von Baden.
Im ersten Obergeschoss
liegt der Schwerpunkt bei den Töpfern bzw. Hafnern. Die Hafnerei fand in Kandern ideale Voraussetzungen: Ergiebige Tonvorkommen, Waldreichtum und somit Holz für den Brand sowie die ideale Lage zwischen den Bergen an der alten Handelsstraße zwischen dem Elsaß und der Schweiz. Auch die umliegenden Orte und Märkte profitierten von der guten Töpferware Kanderns. Aufzeichnungen lassen erkennen, dass schon im Mittelalter in Kandern Hafner ansässig waren, die sich in einer Zunft zusammenschlossen.
In der ersten Standvitrine rechts ist typische Hafnerware verschiedener Hafner zu sehen. Die letzten im 20ten Jahrhundert noch tätigen Hafner sind in weiteren Vitrinen mit einigen Objekten vertreten. Teilweise tragen diese schon Merkmale des Jugendstils bzw. der Art déco:
- Adam bzw. Otto Fritz mit Ansätzen des Jugendstils
- Karl Blum, dem letzten von 3 Hafner - Generationen mit wunderschöner, bunter Hafnerware und Spielzeug.
- Josef Armbruster mit der Edelweißbemalung im Stil der Keramik von Thun und Umgebung (Schweiz). Auch Hafner Buchs ist mit schönen Stücken in dieser Vitrine vertreten.
Daneben befindet sich eine Vitrine mit Arbeiten aus Kanderns Partnerstadt Soufflenheim, hervorzuheben sind zwei moderne Keramiken, die in unseren Sonderausstellungen 2017/2018 vertreten waren und aus der Manufaktur Elchinger stammen. Die nächsten zwei Vitrinen sind der heute noch tätigen Töpferfamilie Hakenjos gewidmet.
Beginnend mit der Vitrine ganz links: Hier sieht man einen wunderschönen Teller von Hermann Hakenjos sen., der mit Max Laeuger nach Kandern kam, darunter befinden sich Arbeiten von Hermann Karl Hakenjos, dessen Sohn. Seine Liebe galt vor allem dem Modellieren von Figuren. Daneben die Vitrine der Tochter Ursula Kluge - Hakenjos mit schönen Fayencen und darüber die Arbeiten von der noch heute tätigen Sabine Kluge, die im alten Stil der Hafner arbeitet aber auch schöne moderne Keramiken herstellt. Sie verarbeitet ausschließlich Kanderner Ton.
Gleichfalls der Tradition verbunden ist die nachfolgende Keramikerin Vreni Messerschmidt und als Kontrast die junge Keramikerin Corinna Smith. Die folgende Vitrine ist Hermann Messerschmidt gewidmet; im oberen Teil finden sich schöne Steinzeugarbeiten und im unteren Bereich seine skurrilen „Spöttervögel“ aus Porzellan. In der Folge sieht man Arbeiten von den Keramikern Werner Baumberger aus Kandern und Eckart Löschner, darunter Arbeiten von Beatrix Sturm - Kerstan, die teilweise Merkmale der Keramiken Ihres Mannes Horst Kerstan aufweisen.
Es folgt ein museales Glanzstück der besonderen Art, nämlich die „Goldene Sau von Kandern“, die Markgraf Georg Friedrich seinem Jagdaufseher nach einer erfolgreichen Jagd 1604 schenkte. Dieses Trinkgefäß stand ursprünglich im Kanderner Forstamt, einem früheren Markgräflichen Jagdschloss, und kam 1977 ins Landesmuseum Karlsruhe, da man ein solches Kleinod nicht ausreichend sicher verwahren konnte. Das Museum und auch das Forstamt besitzen eine Replik davon. Eine weitere besondere Person, an die das Museum erinnert, ist Johann August Sutter (1803 – 1880), der in Kandern geboren wurde aber als „Kaiser von Kalifornien“ in die Geschichte einging. Die meisten Jahre seines Lebens verbrachte er in den USA, wo er eine große Farm mit vielen Nebengebäuden aufbaute. Diese wurde überrannt als 1848 auf seinem Gelände Gold gefunden wurde. Es war der Beginn des Goldrausches; die Goldsucher zerstörten sein Imperium und die vielen Gerichtsprozesse bis zu seinem Tod brachten keine Klarheit und für Sutter zu Lebzeiten kein gerechtes Urteil.
In einer Wandvitrine sind alte, seltene Ofenkacheln ausgestellt, die teilweise mit Modeln und Dekorschablonen hergestellt wurden.
Die ältesten stammen aus dem 16. Jahrhundert.
In Kandern hat sich sehr früh eine Tradition des Brezelbackens entwickelt, weshalb die Stadt auch den Beinamen "Brezelstadt" erhielt. Dokumente belegen, dass Kanderner Bäckereien schon im 18. Jhdt. dieses Kleingebäck herstellten. Die Firma Mayka (Mayer Kandern) - gegründet 1899 - baute nach 1945 eine Brezelfabrik und fertigte das Kleingebäck in großer Stückzahl. Seit 1996 werden Mayka-Produkte in Schliengen produziert.
Um den Kamin sind Original - Entwürfe für keramische Arbeiten von August Macke zu sehen. Auf der Rückseite der dortigen Wand hängt das Ölgemälde „Knabe auf dem flachen Dach“ - eine Schenkung der Familie Macke aus Anlass der Einweihung des „August Macke - Weges“, der von Karlheinz Beyerle konzipiert wurde. Auf der anderen Seite dieser Wand hängt eine 1905 handgefertigte Postkarte von August Macke an seine späteren Schwiegereltern. Darunter steht eine prächtige Wahlurne von Prof. Max Laeuger.
Im 2. Obergeschoss
liegt der Ausstellungs - Schwerpunkt auf der Kunstkeramik. Den Anfang auf der rechten Seite machen Arbeiten von Prof. Max Laeuger, einem Wegbereiter der modernen Keramik in Deutschland. In den Wandvitrinen der Nische sind frühe Stücke aus Kandern und die späteren Objekte aus Karlsruhe zu sehen: Fliesenbilder, Figuren - u.a. eine Elefantengruppe - und Gefäße.
Die weiteren Vitrinen zeigen eine Auswahl aus der Laeugerschen Produktion der Tonwerke Kandern, unterteilt in die naturalistisch organische Phase und die späteren Phasen der sachlichen Gliederung (Goldmosaik, Linien u. a.) sowie der organisch dekorativen Malerei. Dazwischen stehen schöne Bodenvasen. Laeuger`s Arbeiten wurden auf Weltausstellungen mehrfach prämiert. Nach Laeugers Weggang 1914 und nach den Kriegswirren übernimmt Hermann Hakenjos sen. die Leitung derWerkstatt und versucht mit neuen Modellen die KTK (Kunstöpferei Tonwerke Kandern) in eine neue Zeit zu lenken. Die Anfänge sind noch stark vom Jugendstil geprägt, leiten dann aber über zur Art déco.
In der Vitrine daneben sind Arbeiten aus der Fayence-Manufaktur Kandern zu sehen, die von 1927 – 1938 bestand und von Richard Bampi gemeinsam mit Hermann Hakenjos sen. gegründet wurde. Neue Glasuren (z.B. Teufelsrot und Timurgrün) sind typisch für diese Ära der Art déco. Auch Stücke im Bauhausstil sind entstanden. Die moderne Keramik in Deutschland ist ohne die bahnbrechenden Arbeiten von Prof. Richard Bampi nicht denkbar. Seine Objekte bilden in Form und Glasur eine vollkommene Einheit. Nach dem Krieg konnte er das Erforschte umsetzen und erlangte mit seiner Steinzeugkeramik international große Bedeutung.
Sein Meisterschüler, Horst Kerstan übernahm 1965, nach Bampis Tod, die Werkstatt. Bemerkenswert sind seine Holzascheanflug - Gefäße aus dem Anagamaofen; die Raku Teezeremonienschalen machen den japanischen Einfluß deutlich. Seine Forschungen auf dem Gebiet der Glasurtechnik sind herausragend und fanden international große Anerkennung. Die Formen besinnen sich auf die Natur und spiegeln den neuen Zeitgeist wieder. In den zentral stehenden Vitrinen und weiteren Wandvitrinen wird die jährliche Sonderausstellung präsentiert.